In einem Workshop-Gespräch, an dem die in die Untersuchung einbezogenen Lollipop-LehrerInnen teilnahmen, wurde der Frage nachgegangen, welche Faktoren von den LehrerInnen als wichtige Gründe für die enorme Reduzierung der Quote der LRS-Risikokinder angesehen werden.
Zunächst wurden die Bedeutung der Fortbildungsveranstaltungen und die regelmäßigen monatlichen Treffen genannt. Daran wird deutlich, dass die Beteiligten im Know-how des Lehrers die grundlegende Bedingung für einen erfolgreichen Unterricht sehen.
Dass auch in der Untersuchung-Gruppe gravierende Unterschiede in dieser Hinsicht vorlagen, wird an den Differenzen zwischen den Lollipop-Klassen deutlich. Eine Klasse wies bei durchschnittlichen Ausgangsbedingungen v.a. im unteren Bereich deutlich schlechtere Ergebnisse auf als die anderen vier.
Da in Umfang und Intensität der Fortbildung kein Unterschied zwischen der Lollipop- und der RSW-Gruppe bestand, muss es wichtige inhaltlich-methodische Gründe für die Differenzen in der Effektivität zwischen den Gruppen geben.
Im Gespräch und mit Hilfe eines ausführlichen Fragebogens kristallisierten sich deutlich einige Faktoren heraus, denen die größte Bedeutung für den Erfolg von Lollipop zugeschrieben wird.
1. Die Methode der direkten Hinführung zur Buchstabenschrift
Ihr wird die größte Bedeutung beigemessen. Speziell werden folgende Faktoren genannt:
- Keine Ausblendung von Schwierigkeiten
- Vermeidung der Auffassung eindeutiger Laut-Buchstaben-Korrespondenzen
- großes Schwergewicht auf Lautanalyse-Übungen am Beginn
- Unterscheidung von langen und kurzen Vokalen von Anfang an.
- Zielsetzung der Sprachbewusstheit
- Vergegenständlichung von Sprache
- Lehrerzentrierte erste Phase
- Vielfalt von Förder- und Arbeitsmaterialien
- Anstrengungsbereitschaft auf Grund hoher Motivation
Die LehrerInnen gaben an, durchweg die vorgeschlagene Buchstaben-Reihenfolge eingehalten zu haben. Die Anlauttabelle wurde nur in einem Fall von Anfang an eingesetzt, um freies Schreiben zu ermöglichen. Die Mehrzahl der LehrerInnen hat einzelne Anlautblätter verwendet (Bunte Anlautblätter), bei denen die Buchstaben mit unterschiedlicher Lautung farblich deutlich hervorgehoben sind. Nach einer gewissen Zeit waren weder weder Anlautblätter noch die -tabelle erforderlich.
2. Diagnoseverfahren
Als große Hilfe werden die Diagnoseverfahren nach der ersten Phase und die Lernerfolgskontrollen angesehen. Sie wurden durchgängig eingesetzt. Sie ermöglichen jederzeit einen genauen Einblick in den Lernstand der einzelnen Kinder.
3. Freiarbeit mit den Differenzierungsmaterialien
Auch die vielen Differenzierungsmöglichkeiten werden als sehr bedeutsam eingeschätzt. Hervorgehoben werden insbesondere das vielfältige Übungsangebot, das Sinnerfassende Lesen von Anfang an, die Freiarbeit und die Selbstkontrollmöglichkeiten.
Den Freiarbeitsmaterialien wird je zur Hälfte eine große bzw. sehr große Bedeutung zugeschrieben. Die Mehrzahl hat diese Übungen in Stationsarbeit (meist ab Buchstaben D) eingesetzt, ein Teil hat Wochenplanarbeit verwendet.
Der Umfang der von allen Kindern durchgeführten Übungen wich von Klasse zu Klasse stark voneinander ab. Haben in einer Klasse alle Kinder alle Übungen absolviert, wurde in anderen zwischen Pflicht- und Zusatzaufgaben unterschieden. In einer Klasse wählten die Kinder selbst die Übungen aus.
4. Freies Schreiben
Dieses Arbeitsverfahren wird sehr unterschiedlich gesehen. In einer Klasse, der mit den besten Voraussetzungen und den besten Ergebnissen, wurde sehr viel frei geschrieben, in anderen spielte diese Form eher eine untergeordnete Bedeutung.
Gut angenommen als Schreibanlässe wurden die Erzählbilder des Druckschrift-Lehrgangs. Sie wurden je zur Hälfte durchgängig oder teilweise genutzt. Besonders positiv wird an den Erzählbildern hervorgehoben, dass die Bilddarstellungen die Verwendung bereits eingeführter Buchstaben in hohem Maße ermöglichen. Auch die umfangreichen Differenzierungsmöglichkeiten bei diesem Arbeitsmittel werden genannt.
5. Lehrer-Handreichung
Die klare Struktur des Lehrgangsverlaufs ist für alle beteiligten LehrerInnen ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt.
Der Handreichung wird eine sehr große und in wenigen Fällen eine große Bedeutung zugeschrieben. Man möchte auf keinen Bestandteil dieses umfangreichen Handbuchs verzichten. Aus Zeitmangel wurden primär die sachkundlichen und fächerübergreifenden Aktivitäten zurückgestellt.
6. Fibelgeschichte und Rätsel
Als für die Motivation überaus bedeutsam und damit auch für den Lehrgangserfolg wichtig, werden die Fibelgeschichte und die durchgängige Verwendung von Rätseln genannt. Beides wird als sehr anspruchsvoll, aber zugleich als herausfordernd beschrieben.
Fast durchgängig wird der Fibelgeschichte eine sehr große oder eine große Bedeutung für den Lernerfolg beigemessen, dem Rätsel fast ausschließlich eine große Bedeutung.
7. Weitere Faktoren
- Trotz der großen Fülle des angebotenen Materials möchte man auf keinen Bestandteil verzichten. Die Notwendigkeit eigenverantwortlicher Auswahl wird nicht als Belastung, sondern positiv gesehen. Der Umfang des Materialangebots wird bis auf eine Ausnahme genau richtig eingeschätzt.
- Die Übungen des Arbeitshefts werden fast durchgängig als schwierig bezeichnet, aber gleichzeitig auch als herausfordernd. Sieht man sich den Erfolgvon LolliPop vor allem bei den benachteiligten und als “schwachen Schülern” angesehenen Kindern an, dann wird deutlich, dass Unterforderungen mit banalen Übungen wie in einer Vielzahl von Leselehrgängen nicht das Rezept sein können. Dass gerade ein sehr anspruchsvoller Lehrgang wie LolliPop den langsamen Lernern besonders nützt, zeigt die Bedeutung der Motivation und des Aufbaus eines korrekten Schriftverständnisses.
- An Einzelübungen werden als besonders effektiv die Analyse-Synthese-Wörter, die Minimal-Paare (Wortverzauberungen) und die Lese-Mal-Aufgaben genannt. Dies zeigt, wie gut die beteiligten LehrerInnen das Wesen der verwendeten Methode verstanden haben.
- Am Druckschrift-Lehrgang werden insbesondere die Lückenwörter (Methode!) und die Erzählbilder positiv herausgehoben.
- Nur eine Klasse hat den Leselehrgang erst am Beginn der zweiten Klasse beendet. Alle anderen haben es im ersten Schuljahr geschafft. Auch dies ist ein Hinweis auf die konzentrierte und zielgerichtete Arbeitsweise.
- Mit der verbundenen Schrift wurde, bis auf wenige Ausnahmen, erst gegen Ende oder nach Beendigung des Leselehrgangs begonnen.
- Die Vorlesegeschichten zur Fibel wurden durchgängig genutzt. In den meisten Fällen wurde vorgelesen, seltener frei erzählt oder die CD verwendet.
- Die Sachkundeseiten der Fibel wurden nur sporadisch genutzt.
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