Die Ursachen für die Schwächen der Schüler der Sekundarstufe in Mathematik liegen zu einem gewichtigen Teil in der Grundschule. Das Versagen findet auf zwei Ebenen statt:
1. Viele Kinder erwerben keine Zahlvorstellung. Sie jonglieren mit Zahlen und Rechenoperationen nach Drillmustern. Ohne das Raster dieser Muster scheitern sie. Sie liefern absurde Ergebnisse.
2. An sehr vielen Grundschulen wird kein Wert mehr auf das Kopfrechnen gelegt. So sind häufig nicht einmal die Aufgaben des kleinen Einspluseins, des Einmaleins, geschweige denn des Zehnerübergangs automatisiert. Das von allen Seiten geforderte Problemlösungsverhalten können diese Kinder gar nicht angehen, weil sie ihre ganze Aufmerksamkeit der Bewältigung der einfachen Rechenaufgaben widmen müssen.
Ähnlich wie vor Jahren bei der Fibeldiskussion werden absurde Fronten aufgebaut. Wer die Automatisierung des Einmaleins bei den Kindern verlangt, gilt den einen als ewig gestriger Pauker. Und die anderen verweisen in altbekannter Manier auf die Mängel bei den Kindern, wenn diese z.B. bei Textaufgaben scheitern.
Die Vertreter des offenen Unterrichts, die nach dem Schriftspracherwerb jetzt den Mathematikunterricht für sich entdeckt haben, verkennen oder vergessen einige grundlegende lernpsychologische Fakten. Viele Fragestellungen können von Kindern oder Jugendlichen deshalb nicht erfasst werden, weil ihnen das erforderliche Wissen, die erforderlichen Fähigkeiten dazu fehlen. Man zäumt das Pferd von hinten auf. Die Kinder sollen komplexe Probleme lösen, ohne das Handwerkszeug dafür zur Verfügung zu haben. Die Grundschule aber hat die primäre Aufgabe, genau dieses Handwerkszeug, die Grundkulturtechniken zu vermitteln. Wer bei 7 · 9 im fünften Schuljahr noch lange nachdenken muss, wird Aufgaben, bei denen Bruch- oder Prozentrechnungen erforderlich werden, kaum lösen können.
Damit kein Missverständnis entsteht: Mit Rechendrill allein klappt es natürlich ebensowenig. Der sichere Aufbau eines Zahlbegriffs und das umfassende Verständnis der Rechenoperationen ist Voraussetzung. Das eine darf aber das andere nicht ausschließen - ja die beiden Bereiche bedingen sich gegenseitig. Und in beiden Bereichen werden schwerwiegende Fehler gemacht.
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