|
|
|
|
Fürst Marigor und die Tobis: Spielen und Lernen
|
|
|
|
Sind Lernsoftware und Computerspiele nicht doch ein Gegensatz ?
|
|
|
|
Durch die Erfahrungen mit Baller- und Actionspielen, aber auch mit manchen drögen und reizlosen sog. Lernspielen sind nicht wenige Lehrkräfte und Eltern zu der Auffassung gelangt, dass die Versprechungen der Software-Verlage kaum eingelöst werden.
Im Folgenden soll aufgezeigt werden, worauf es bei effektiven und motivierenden Lernspielen ankommt.
|
|
|
|
|
Edutainment?
|
|
|
|
|
|
|
Seit etlichen Jahren geistert die Verbindung von Spielen und Lernen - das Edutainment - durch die Lande und die Geschäfte. Ist die Synthese gelungen? Der Markt quillt über von Produkten, die vorgeben, unterhaltsam das schulische Lernen zu unterstützen. Die meisten, zumindest die größeren Produktionen, zielen auf den sog. Nachmittagsmarkt.
Im Grundschulbereich ist die eigentliche Zielgruppe nicht die der Kinder, sondern die deren Eltern. Die Eltern kaufen die teure Software, nicht die Kinder.
Verkaufsschlager sind die Produkte, die zweierlei versprechen: Sie sollen für Kinder attraktiv sein und zugleich den schulischen Lernerfolg absichern. Paradebeispiel und Marktführer war lange Zeit die Adi-Reihe. Angeblich von Lehrern erarbeitet und auf die Lehrpläne abgestimmt, versprachen die Programme Hilfe im schulischen Konkurrenzkampf.
Wie sollen Eltern wissen, dass manche der angebotenen Übungen bei Didaktikern ein hartnäckiges Sträuben der Nackenhaare zur Folge haben? Obendrein gibt es so viele Zuckerln und gute Unterhaltung, dass sich nicht nur die Kinder über derartige Geschenke freuen, sondern auch Software- Ratgeber Lob aussprechen.
Aber ist es nicht so, dass Education - noch dazu gelegentlich fragwürdig konzipiert - und Entertainment einfach auf eine Scheibe zusammengepackt wurden? Die Kinder greifen gern und ausführlich auf den Unterhaltungsteil zurück und die Eltern haben ein gutes Gewissen.
Wie viel wird wohl wirklich mit diesen Programmen geübt? Derartige Reihen gibt es mittlerweile einige - in durchaus unterschiedlicher Qualität und zwar sowohl im Lern- und Unterhaltungsbereich. Eine fundierte Analyse über effektive Nutzung und Wirkung wäre wünschenswert.
Edutainment, also der Spaß beim und durch das Lernen, findet eher außerhalb dieser Serien statt. Ob Löwenzahn oder Oskar, der Ballonfahrer und andere, meist sind es Sachthemen, bei denen eine gute Verknüpfung gelungen ist.
|
|
|
|
|
|
|
Mogelpackungen
|
|
|
|
|
|
Bei den Grundkulturtechniken Lesen und Schreiben gab es lange Zeit nur „Mogelpackungen“. Den Kindern wurden Abenteuerspiele versprochen, präsentiert wurden ihnen aber schulische Übungen.
Als Lehrer ist die Motivation eines meiner zentralen Aufgabenfelder und die Beziehung Spiel und Schule ist ein altes didaktisches Problem.
Aber auch als Elternteil wurde ich mit dieser Frage konfrontiert.
Ich habe meinen eigenen Kindern, wie andere wohlmeinende Eltern auch, Lernprogramme angeboten, die vorgaben Abenteuer zu vermitteln. Obwohl beide Kinder zum Glück recht gute Schüler waren, die, zumindest damals, auch keine fundamentale Abneigung gegen Schule entwickelt hatten, wollten sie von diesen sog. Spielen nichts wissen. Sie haben sofort gemerkt, hier ging es nicht um Spiel, sondern um Schulaufgaben.
Daraufhin habe ich versucht, selbst ein echtes Edutainment-Programm zu entwickeln. Der Spaß und die Unterhaltung sollten nicht zusätzlich zu Übungen angeboten werden, sondern sollten daraus erwachsen. Einige Jahre ist das Programm „Fürst Marigor und die Tobis“ jetzt im Handel. Die Erfahrungen zeigen, dass das Konzept, was die Akzeptanz bei den Kindern angeht, aufgegangen zu sein scheint. Überall dort, wo dieser Faktor untersucht wurde, lag Marigor bei allen Lernspielen an der Spitze.
|
|
|
|
|
|
Motivation ist entscheidend
|
|
|
|
|
Interessant - und gar nicht vorweg im Blick - ist die positive Wirkung bei Kindern mit Lernschwierigkeiten. Jo Hackler berichtet (Lit. 2), dass selbst Kinder, die freiwillig keinen Stift in die Hand nehmen würden, bei diesem Spiel am liebsten Überstunden einlegen möchten. Das Primat der Motivation hat also Früchte getragen.
Inwieweit darüber hinaus mit dem Spiel auch etwas gelernt wird, muss offen bleiben. Aber gilt das nicht auch für anderen Programme? Ich teile keineswegs den Ansatz der Vertreter des „natürlichen Lernens“, die unterrichtliche Bemühungen als weitgehend wirkungslos darstellen.
Hier hat, vor allem im Bereich des Schriftspracherwerbs in den letzten Jahren ein Hang zur Beliebigkeit um sich gegriffen, dessen Auswirkungen gerade auch Lerntherapeuten zu spüren bekommen dürften. Wer die Prozesse beim Schriftspracherwerb als „black box“ bezeichnet, sollte die Finger von Leselerndidaktik lassen.
Üben - ganz nebenbei
Lernprogramme, auch die der Sparte Edutainment, sollten lernpsychologisch und didaktisch klug aufgebaut sein, sie sollten die Sachstruktur genau im Blick haben.
Beim Marigor-Spiel geht es aber nicht um die Erwerbs-, sondern um die Übungsphase. Wer dieses Spiel durchführen will, muss das Prinzip unserer Schriftsprache verstanden haben und über Grundfertigkeiten im Lesen und Schreiben verfügen. Das Lernen von Lesen und Schreiben ist nach Meinung des Autors auch mit Hilfe von Software möglich und auch in Form eines Adventures. Leider hat sich bis jetzt noch kein Verlag gefunden, der das Wagnis der hohen Investitionen eingehen will.
Bei der Marigor-Software steht eindeutig die Motivation, der Spaß im Vordergrund. Wenn Lesen und Schreiben quasi nebenbei mitgeübt werden, ist dies ein angenehmer Zusatzeffekt. Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Idee dem Marigor-Spiel zugrunde liegt.
|
|
|
|
|
|
|
Kinder müssen spielen
|
|
|
|
|
|
Kinder, die noch nicht zur Schule gehen, eignen sich die Welt vor allem durch Nachahmung und Spielen an. Im spielerischen Handeln erfahren sie die unterschiedlichen Reaktionen ihrer Umgebung und lernen auf diese Weise, sich situationsgerecht zu verhalten. Dieses selbstbestimmte Ausprobieren ist mit Lust verbunden. Spielen macht Spaß!
Schule verändert das Spiel
Mit dem Schuleintritt beginnt eine Akzentverschiebung in der Bewertung des Spiels. Schulisches Lernen geschieht zumeist in festen Formen und mit von außen gesteuerten Zielsetzungen. Das Spiel hat zwar - v.a. in der Grundschule - in den letzten Jahrzehnten an Gewicht gewonnen, ist aber für die Kinder nicht gleichzusetzen mit dem selbstbestimmten Spiel außerhalb des Unterrichts. Spiele werden von Schulkindern mit zunehmender Schulerfahrung neu bewertet. Die Zweckfreiheit wird zum wichtigen Kriterium. Die Kinder unterscheiden zwischen schulischen Spielen, die immer etwas mit Lernzielen zu tun haben und Freizeitspielen, die nur der Unterhaltung dienen. Die gesellschaftliche Trennung zwischen Arbeit und Freizeit geht auch am Kinderspiel nicht vorbei.
Wer nicht lesen kann, hat keine Chancen
Durch die ständig gewachsenen Medienangebote hat sich das Freizeitverhalten der Kinder verändert. Für das eigenaktive Spiel bleibt zugunsten passiven Konsums von Medienprodukten immer weniger Raum.
Und noch etwas droht in den Hintergrund zu geraten: das Lesen. War früher das Lesen die zentrale Quelle, die Erfahrungen über die direkte Lebensumwelt hinaus zu erweitern, so ist es heute das Fernsehen. Dabei ist das Lesen immer noch eine der bedeutenden Kulturtechniken, deren sicheres und umfassendes Beherrschen Voraussetzung für das Erreichen einer zufriedenstellenden beruflichen Position ist. Die Zahl der Menschen, die nicht richtig lesen können, wächst in unserem Land. Wer aber nicht lesen kann, hat so gut wie keine Chance.
Die Lesefertigkeit vieler Kinder wird oft nicht so ausreichend geschult, dass das Lesen von ihnen als angenehme, lustvolle Erfahrung erlebt werden kann. Zu sehr plagen sich viele Kinder mit lesetechnischen Problemen herum, als dass sie Lesen als Quelle von Erfahrungs- und Lustgewinn erleben könnten. Schon immer reichten die Leseübungen des Unterrichts nicht aus, die erforderliche Sicherheit zu erlangen. Das Lesen in der Freizeit brachte die notwendige Übung mit sich. Die Konkurrenz der leicht konsumierbaren elektronischen Medien hält heute viele Kinder vom Lesen ab.
|
|
|
|
|
|
Das Computerspiel als Lösung?
|
|
|
|
|
Es liegt nahe, die modernen Medien einzuspannen um mit ihrer Hilfe die erforderlichen Übungen zu absolvieren. Der Computer hat seinen Weg in viele Kinderzimmer gefunden und bietet sich für das Lernen außerhalb der Schule geradezu an.
Nun haben die Medienproduzenten sehr schnell erkannt, dass der Computer von Kindern (und Erwachsenen) vor allem als Spielgerät angenommen wird. Der Computer bietet vieles in simulierter Form an, was das Spiel schon immer ausgemacht hat. Man kann in den Computerspielen in umfangreicher Weise Handlung erproben. Man kann sich in die abenteuerlichsten und gefährlichsten Situationen begeben, ohne dass einem wirklich etwas passieren kann. Selbst wenn man im Spiel zu Tode kommt, stirbt man nur virtuell.
Die Computerspiele bieten zudem Herausforderungen an Denkvermögen und Geschicklichkeit des Spielers, deren Bewältigung als bedeutender Erfolg erlebt wird, und deshalb mit Lust verbunden ist. Auch ziehen oft schon die grafische und akustische Gestaltung den Spieler in ihren Bann.
Die hohe Attraktivität der Computerspiele für schulische Zwecke zu nutzen ist ein verständliches Bemühen. Die anfangs geschilderte Trennung des kindlichen Erfahrungsraumes in Schule und Freizeit steht dem jedoch oft im Wege. Kinder unterscheiden sehr deutlich zwischen „echten“ Spielen und Lernspielen, die dem Bereich des Unterrichts zugewiesen werden, und die nicht freiwillig in der Freizeit gespielt werden.
Die Kinder sehen den pädagogischen Spielen meist sehr rasch ihre Absicht an und distanzieren sich. Schon allein deshalb ist von vielen Lernspielen im Freizeitbreich keine ausreichende Wirkung zu erwarten.
Entscheidend ist das interessante Spiel
Soll ein Lernspiel von den Kindern angenommen und von ihnen dem Freizeitbereich zugeordnet werden, dann muss es die Merkmale aufweisen, die ein attraktives Spiel kennzeichnen.
- Die grafische und akustische Gestaltung muss zum Spielen einladen.
- Eine spannende, nachvollziehbare Handlung muss ein Spielziel vorgeben.
- Identifikationsfiguren sollten eine emotionale Bindung ermöglichen.
- Die Aufgaben und Rätsel müssen echte Herausforderungen darstellen, deren Bewältigung als Erfolg angesehen wird.
- Das Kind muss aktiv handelnd in das Geschehen eingreifen können.
- Für schwierige Situationen muss es Hilfen geben, die Auswege aufzeigen.
- Spannung und Witz müssen für Kurzweil sorgen.
Lerneffekte müssen aus dem Spielgeschehen resultieren
Die zusätzlichen pädagogischen Ziele eines Lernspieles müssen sich diesen Faktoren unterordnen und im Idealfall integrativer Bestandteil der spannenden Handlung sein. Dies wurde mit dem Tobi-Spiel versucht.
Es ist dann gelungen, wenn die Kinder es als Abenteuerspiel ansehen. Die enthaltene Fülle an Lese- und Schreibübungen sowie Denkaufgaben, die den Kindern abverlangt wird und die ein umfangreiches Förderpotential darstellt, ist konstitutiver und zugleich unauffälliger Bestandteil des Adventure-Spiels. Die Übungen präsentieren sich den Kindern als spannende Rätsel, die es zu lösen gilt, um die Mission des Spiels erfüllen zu können.
Dadurch, dass das Spiel wegen seiner Attraktivität mit hoher Motivation angegangen wird, sind die Lernerfolge mit Sicherheit höher als bei Übungen ohne diesen Aufforderungscharakter.
|
|
|
|
|
|
|
Abenteuer Lesen
|
|
|
|
|
|
Das Besondere an der Marigorgeschichte liegt, neben dem bisher Gesagten, im Spielauftrag. Wie in allen Abenteuerspielen geht es darum, in die Rolle der Leitfigur zu schlüpfen und eine wichtige und schwierige Mission zu erfüllen. Viele Rätsel sind zu lösen, um am Ende als strahlender Held erfolgreich dazustehen. Die beiden Tobikinder Alo und Ela bieten den spielenden Mädchen und Jungen die Handlungsträger, mit denen sie sich identifizieren können.
Auch wer die Tobis durch den Leselehrgang noch nicht liebgewonnen hat, wird sich schnell mit den beiden Koboldkindern anfreunden. Mit Hilfe von Ela und Alo sollen die von Fürst Marigor gefangenen Tiere und Wesen des Nordwaldes befreit werden. Dies gelingt nur, wenn die Rätsel, die in den zu findenden Steinen verborgen sind, gelöst werden.
Dazu aber muss gelesen, geschrieben und kombiniert werden. Die Kinder machen also die Erfahrung, dass Lesen und Schreiben keinesfalls nur in der Schule gebraucht wird.
Soweit die dem Programm zugrunde liegenden Zielsetzungen. Es liegt an den Kindern und den professionellen Beobachtern zu beurteilen, wie viel von den Absichten umgesetzt werden konnte.
Lit 1: Joachim Hackler, CUL - Computer und Lernen Homepage: www.computerundlernen.de Barbara Kortus: Kinder testen Lernsoftware, in: Mitzlaff, Speck-Hamdan (Hrsg.): Grundschule und neue Medien, Frankfurt am Main 1998, S. 139ff Wolfgang Böhl: Rechtschreibung als virtuelles Abenteuer, in Computer und Unterricht 36/1999, S. 14 ff Lit. 2: Joachim Hackler: CD-Tip, Fürst-Marigor und die Tobis, in L.A.Multimedia, September 1998, S. 27
|
|
|